Welcome to Kirgistan - Teil 2 - all i need. Österreich
Welcome to Kirgistan – Teil 2 Roadmovie durch die Pampa.
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Ich bin so voller Eindrücke, dass es mir fast das Herz zerreißt. Da weiß man dann gar nicht, wo man mit dem Erzählen anfangen soll… Vielleicht damit, dass ich einmal quer durch ganz Kirgistan gebrettert bin – von Bishkek im Norden bis Sary Tasch im Süden – und mich total verliebt habe: in die Menschen, die oft unter kärgsten Bedingungen ihr Dasein fristen und dabei herzlich, gastfreundlich und offen sind und in die wahnsinnig schöne Landschaft, die von gewaltigen 7000ern, abgeschiedenen Hochgebirgs-Seen und bizarren Steppenwüsten durchzogen ist. Feststellung eins: Man braucht nicht viel zum Glücklichsein. Feststellung zwei: Man selbst ist nur ein kleines Körnchen im Universum und muss sich nicht immer so wichtig nehmen.

Ich habe eine Woche bei einer Nomaden-Familie in der Jurte am Song-Kul verbracht und einen ganzen Tag lang nur ins Land geschaut (ein bisschen so, wie Oskar Matzerath in Günter Grass´ „Die Blechtrommel“ über die See blickt, als ob sie ihm gehörte), ich bin tatsächlich und zum ersten Mal auf ein Pferd gestiegen und frei wie der Wind durch die Steppe galoppiert. Ich habe inmitten der ausgelassenen Kinderschar Kurut-Bällchen gedreht (das ist getrockneter, salziger Frischmilchkäse) und in der Sonne aufgelegt. Ich habe jedes Körperteil vom Schaf gegessen – und das nicht, weil es mir so geschmeckt hätte (ich bin Flexitarierin mit eindeutiger Veggie-Tendenz), sondern weil es, wo Mangel und Armut herrschen, einfach nur höflich und angebracht ist, zu nehmen was einem angeboten wird.

Ich bin um vier Uhr früh mit den Männern zum Fischen hinausgefahren und als Dank danach zum Frühstück in der Wiese eingeladen worden. Ich bin von 100 Kirgisen lediglich auf zwei Idioten gestoßen (die mich im Basislager des Pik Lenin auf 4.000 Metern mitten im Nirgendwo zurückgelassen haben) und finde das ist ein superber Schnitt, denn 98 tolle Begegnungen sind eine ganze Menge. Ich war zu einer traditionell-kirgisischen Hochzeit eingeladen und habe dort selbstgebrannten Cognac gekippt und russische Papirossi geraucht bis ich ganz grün war. Was mich zu Feststellungen drei und vier bringt: Alleine sein ist auch ganz schön, weil man sich dann (wieder einmal) selbst neu kennenlernt. Und: Fremdsein verbindet und lässt Freund- und Bekanntschaften beinahe im Zeitraffer entstehen.

Ich habe meine Vorbehalte, Vorurteile und Ängste (ja, die hatte ich auch) über Board geworfen und mich völlig frei und leer gemacht. Und bin dafür, wie immer, wenn man gedankliche wie tatsächliche Hürden überwindet, wirklich reich beschenkt worden: mit Lebensfreude, neuen Freunden und einem gesunden Stück Selbst-, nein, Grundvertrauen. Ich weiß jetzt wieder, dass ich auch am anderen Ende der Welt, weit weg von mir bekannten Normen und vertrauten Werten, hervorragend (und allein) zurecht komme. Und, dass Empathie und Vertrauen auch ohne viele Worte funktionieren – wofür hat man schließlich Hände und Füße und Augen und Ohren (und einen Zeichenstift samt Block), wenn nicht, um sich mitzuteilen, auszutauschen und neue Galaxien zu ergründen.

Und weil das heute mein letzter Blog-Beitrag für all i need ist und ich auf diesem Weg gleichzeitig zum Abschied leise Servus sage, schicke ich Euch einen Song des hiesigen Pop-Idols Temir Nazarov, der ein kleines Stück Kirgistan zu Euch hinüberwehen wird (Achtung: Asia-Trash 😉 Vielen Dank fürs Zuhören/Lesen! Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.

Daniela Emminger www.facebook.com/daniela.emminger
Text-Musik-Link: Temir Nazarov – Kyrgyzstan

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